GESCHICHTE DER PFARRE RAIDING


VON PROF. JOHANN ERHARDT

DIE FRANZ LISZT-GEDÄCHTNISKIRCHE VON RAIDING


Zu Franz Liszts Lebenszeit, von 1811 – 1886, war Raiding noch als röm.- kath. Filialgemeinde der Pfarre Unterfrauenhaid zugehörig und damit auch deren 1222 urkundlich erstmals erwähnten Marien- und späteren Wallfahrtskirche. So wurde sie auch am Tage nach Franz Liszts Geburt am 22. Oktober 1811 zu dessen Taufkirche.
Zum Bau einer Kirche in Raiding kam es erst zwischen 1675 - 1680 unter dem Grundherrn von Landsee, dem tiefreligiösen Fürsten Esterhazy Paul I. Ein im Oktober 1721 von einem Kirchschlager Meister verfertigter Hochaltar und die aus dieser Zeit stammende Kirchenorgel, auf der Franz Liszt als Kind spielte, waren nennenswerte Ausstattungen.
Beim letzten seiner fünf Raiding-Besuche nach seiner Kinderzeit am 7. April 1881 kniete er „lange und in tiefer Ehrfurcht versunken auf den Altarstufen“ und spendete für die schon 200 Jahre alte, zu kleine und baufällig gewordene Kirche und die Schule 200 Gulden. Die zehn Jahre später eingeleiteten Verhandlungen für eine Restaurierung und Vergrößerung der Kirche scheiterten aber.
Erst 1905 unter dem neuen Pfarrer Johann Prikoszovich wurden neben dem Kirchenbauvorhaben mit Renovierung und Vergrößerung auch ein Schulneubau und die Errichtung eines Liszt-Museums im Geburtshaus angestrebt.
Der Schulneubau: Für die Unterbringung der unter dem Reformkaiser Joseph II. 1788 hier errichteten Dorfschule war der Bau eines neuen Schulhauses mit Lehrerwohnung zwingend notwendig. Er wurde 1905 von Juli bis Ende September errichtet.
Das Liszt-Museum im Geburtshaus konnte zum 25. Todesjahr Liszts und seinem 100. Geburtsjahr 1911 schon am 31. Juli im Rahmen einer beachtlichen Festveranstaltung eröffnet werden. Es bestand in dieser Form bis 1951, als es durch eine räumliche Erweiterung und Neugestaltung als Franz Liszt-Gedächtnisstätte eingerichtet wurde.

DER WEG ZUR „FRANZ LISZT –GEDÄCHTNISKIRCHE“


Nach dem Scheitern früherer Kirchenbaupläne verschrieb sich nun Pfarrer Prikoszovich diesem Vorhaben. Schon vor Errichtung des Lisztmuseums, zu dessen Verwirklichung er im Ödenburger Stuhlrichter Wilhelm Blaschek einen begeisterten Liszt-Verehrer und Förderer fand, wurde 1905 unter der Benennung FRANZ LISZT- GEDÄCHTNISKIRCHE eine komitatsweite Spendenaktion organisiert, die 60.000 Kronen einbrachte.
Nach der Errichtung des Lisztmuseums von 1911 verzögerte sich allerdings das Projekt Kirchenbau und wurde hernach noch dazu ein Opfer der Weltpolitik durch den Ausbruch des 1. Weltkrieges. Dessen Ausgang und die Friedensdiktate für Österreich- Ungarn bestimmten die Abtretung von Deutschwestungarn als neues österreichisches Bundesland „Burgenland“ ohne die Hauptstadt Ödenburg und Umgebungsgemeinden an Österreich Ende 1921.
Noch im Juni 1921 hatte die letzte unter ungarischer Provenienz stehende Liszt-Feier in Raiding stattgefunden, noch immer im Anblick des alten Dorfkirchleins aus Liszts Zeit.

1924: DER ERSTE KIRCHENNEUBAU IM JUNGEN BURGENLAND.


Während des Krieges waren auch in Raiding die Kirchenglocken requiriert worden. 1923 rief Pfarrer Prikoszovich zu einer Spende für neue Glocken auf. Deren Ergebnis von 32.285.000 Kronen (Inflation!) überraschte freudig, so dass er das Spendenergebnis - laut Pfarrchronik – scherzhaft, aber auch anerkennend „dem Raidinger G'walt" zuschrieb. Dies war die Vorstufe für noch größere Anstrengungen der ganzen Gemeinde für einen KIRCHENNEUBAU im Jahr 1924. Dem kam auch noch eine "Michael Kienzl-Stiftung" mit 383.600.000 Kronen zugute.
Der letzte Gottesdienst in der Kirche der Kinderzeit Franz Liszts wurde zu Pfingsten gefeiert, hernach Abbruch und Neubau. In der neuen Kirche konnte schon das Weihnachtsfest gefeiert werden. Die Einweihung war am letzten Adventsonntag erfolgt.
Im Folgejahr 1925 war die neue Kirche - nahe dem Liszt-Geburtshaus - Schauplatz der ersten großen burgenländischen Lisztfeier. Als eine sichtbare Rechtfertigung ihrer auf Liszt bezogenen Bezeichnung war auch die von Caspar von Zumbusch geschaffene Liszt-Büste von der Wiener Gesellschaft der Musikfreunde, deren Ehrenmitglied Liszt 1838 geworden war, gespendet und in einer Nische der rechten Innenwand in der Kirche aufgestellt worden.

Die Gedächtniskirche als Ort der Bestattung der Gebeine Franz Liszts war am 25. April 1925 Gegenstand einer Beratung im Burgenländischen Landtag. Pressemeldungen zufolge hätte aber im Falle einer Auslieferung von Deutschland, wo Franz Liszt begraben war, Ungarn darauf Anspruch erhoben, was die österreichische Bundesregierung verhindern wollte. Deshalb wurde der Plan nicht weiter verfolgt.
Zum 125. Geburtstag und 50. Todesjahr Liszts feierte das offizielle Burgenland mit seiner Jugend und ihren Lehrern am 22. Oktober in der Noch-Filialkirche mit Liszts „Festmesse in c-Moll“. Hernach wurde an der alten Wehrmauer von Liszts Taufkirche in Unterfrauenhaid eine Gedenktafel feierlich enthüllt.

1941 - 1949: LOKALSEELSORGESTELLE RAIDING WIRD PFARRE


Am 30. Dezember 1948 erklärte Kardinal Dr. Innitzer als Apostolischer Administrator des Burgenlandes mit Rechtswirksamkeit vom 1. Jänner 1949 die Erhebung der bisherigen Seelsorgestelle zum hl. Antonius zur Pfarrkirche. Zu gleicher Zeit wurde der hier seit 1940 als Seelsorger wirkende Emmerich Karl Horvath von Provikar Dr. Köller zum ersten Pfarrer in Raiding bestellt. Dieser war als begeisterter Liszt-Verehrer auch Herausgeber von Liszt-Schriften und -Büchern, zudem 1968 Mitgründer des FRANZ LISZT- VEREINES RAIDING und am 21. Juni 1971 Initiator und Direktor des in Raiding gegründeten EUROPEAN LISZT CENTRE -ELC.
Ab 1951 wurden in der LISZT-GEDÄCHTNISKIRCHE bei entsprechenden Anlässen Gottesdienste mit LISZT-MESSEN gefeiert, zumeist vorgetragen vom Eisenstädter Haydn-Chor und dem Mittelburgenländischen Lehrerchor.
Wie schon der erste Bischof des Burgenlandes Dr. Stephan Laszlo als Zelebrant und Prediger den Tonkünstler ehrte, war auch sein Amtsnachfolger, der hier 1935 gegenüber dem Liszt-Geburtshaus geborene Dr. Paul Iby, wiederholt als Zelebrant und Prediger aktiv, um auch Liszts Leben von seiner religiös bestimmten Raidinger Kinderzeit bis zum Tode des 75-jährigen Abbe überzeugend zu vermitteln.
Leider wird die Bezeichnung „FRANZ LISZT- GEDÄCHTNISKIRCHE“ kaum noch angewendet. Die Zumbusch- Lisztbüste befindet sich seit 1951 im vergrößerten Liszt-Museum, und die alte Kirchenorgel, an welcher das von seinem Vater liebevoll oft ZICY genannte Kind einst die Tasten strapaziert hatte, befindet sich nunmehr in der Instrumentenausstellung des modernen LISZT- KONZERTHAUSES beim Geburtshaus.